Die Touristin

Man hätte sie für eine gewöhnliche Touristin halten können, sicher: für eine überaus dicke und runde Touristin, wie sie mit Sonnenbrille, leichtem Kleid, Tasche und Wurstsemmel langsam durch die Straßen der fremden Stadt spazierte.

Sie genoss, dass niemand es ihr ansah, mit welchem Interesse, in welcher Mission sie unterwegs war. Ja, die Kirchen, Bürgerhäuser und Museen. Die ließ sie links liegen, waren nur von mäßigem Interesse für sie. Anders hingegen die Imbisse, Subways, Döner-Stände und Eisdielen: Orte des Genusses und der Begierde. Sie kam in die fremde Stadt, um zu schlemmen, zu futtern. Begann am Bahnhof mit einer großen Tüte Pommes, ging langsam und kauend durch die Fußgängerzone ins Zentrum, warf die leere Tüte weg, sah eine Eisdiele. Nahm sich eine große Waffel mit vier Kugeln und Sahne. Und schleckte das Eis und genoss. Eben die Waffel verdrückt, zeigte sich da ein Falaffelstand. Einmal die große Portion mit Rahmdipping. Sie stand und schlemmte. Und machte sich weiter auf den Weg. Der Duft aus der Bäckerei zog sie hinein. Mit drei schokoladenüberzogenen Granatsplittern kam sie heraus, die nach und nach in ihrem Mund verschwanden. Dann der Würstchenstand, eine lange fettige Thüringer Bratwurst. Und wieder vier Kugeln Eis. Ihr Gang wurde langsamer und schwerer, das Kleid enger, der Bauch immer strammer – bis sie sich schließlich, nach drei Stunden gefräßigen Stadtbummels, beim Mexikaner niederließ und „endlich etwas Gescheites“ bestellte, wie sie sagte: Nachos mit Käse als Entrée. Und dann vier Burritos, Pommes und eine Cola.

Nahezu jedes Wochenende war sie so unterwegs, oft in einer anderen Stadt. Diese Schlemmertage ließen unübersehbare Spuren an ihrem weichen, dicken und schweren Körper. Andere machen Bodybuilding, dachte sie… ich auch. Und strich sich über die vielen neuen angefutterten Pfunde.